Schutzkonzept „für wahr nehmen“


1.) Warum? – Ziel, Rechtliche & theologische Begründung
Durch das Präventionsgesetz der Nordkirche sind wir als Fachstelle für die Jugendarbeit im Kirchenkreis in die Pflicht genommen, Verantwortung für die Sicherheit der uns anvertrauten Menschen zu übernehmen. Im §5 Absatz 4 des Präventionsgesetztes heißt es, dass auf Grundlage eines Rahmenschutzkonzepts jeder kirchliche Träger mit Unterstützung der Präventionsbeauftragten eine Risikoanalyse durchführen soll, um ein Schutzkonzept zu entwickeln.
 

Gleichzeitig sind wir auch als freier Träger der Jugendhilfe verpflichtet, ein Konzept zur Prävention sexualisierter Gewalt zu entwickeln, anzuwenden und zu überprüfen (§ 45 SGB VIII).

Die Formulierung beider Gesetze legt nahe, dass es nicht damit getan ist etwas zu verschriftlichen und damit fertig zu sein. Wir sind herausgefordert ein Schutzkonzept zu entwickeln, das im Alltag immer wieder Anwendung, Umsetzung und Weiterentwicklung benötigt. Darum ist das in diesem Schutzkonzept Beschriebene lediglich ein Zwischenergebnis auf dem Weg, nichtsdestotrotz ein Wegpunkt, an dem man sich auch auf dem weiteren Weg orientieren kann.
 

Dieses Schutzkonzept soll zu einem grenzwahrenden Umgang miteinander beitragen. Es zielt darauf ab, die Wahrscheinlichkeit zu senken, dass bei unseren Veranstaltungen, Freizeiten und Aktionen Grenzüberschreitungen und sexuelle Übergriffe stattfinden oder nicht erkannt werden. Teilnehmende wie Mitarbeitende sollen durch gezielte Präventionsmaßnahmen geschützt und für einen vertrauensvollen, grenzsensiblen und achtsamen Umgang miteinander geschult werden.


Weil wir davon überzeugt sind, dass jeder einzelne Mensch als Geschöpf Gottes eine unantastbare Würde besitzt, muss sich diese Würde in unseren Angeboten durch eine Kultur der Aufmerksamkeit und Achtsamkeit, des Respekts und der Wertschätzung widerspiegeln. In der Nachfolge Jesu hat die Kirche den Auftrag zu heilen, zu versöhnen und dazu beizutragen, dass das Leben gelingt. Deshalb haben wir die Pflicht, jede*n bestmöglich vor jeder Form von Übergriffen, Missbrauch und Gewalt zu schützen.


2.) Risikoanalyse:


Auf Basis dieser Grundlagen wurden die Arbeit des Jugendpfarramts Lübeck-Lauenburg und der Evangelischen Jugendvertretung Lübeck-Lauenburg unter Berücksichtigung verschiedener Themengebiete einer Risikoanalyse unterzogen, die die vorhandenen Schutz- und Risikofaktoren herausgearbeitet hat.
 

Schutzfaktoren:

  • Partizipation und Mitbestimmung im Sinne des KJG in allen Bereichen unserer Arbeit.

  • Vielfältige und eingeübte Feedback und Kritik-Strukturen auf allen Veranstaltungen des JPA

  • Förderung der Selbst- und Fremdreflexion bei Vor- und Nachbereitung von Veranstaltungen zur Wahrnehmung der Wirkung des eigenen Handelns durch Team-Feedback, Gespräche und Kollegiale Beratung.

  • Hohe Kultur der Fehlerfreundlichkeit.

  • Wenig strukturelle Hierarchie und Leitung auf Augenhöhe, gerade beim Thema Disziplin und Konsequenzen.

  • Klare Bedingungen zur Aus- und Weiterbildung von ehrenamtlich Mitarbeitenden [JuLeiCa] als Voraussetzung für Mitarbeit und damit eingehender eingeübter Umgang mit Nähe und Distanz.

  • Förderung der Sprachfähigkeit in Bezug auf Grenzsetzung und grenzverletzendes Verhalten durch Ausbildung (JuLeiCa).

  • Kommunikations-Training im Rahmen der JuLeiCa-Schulung

  • Regelmäßige Fortbildungen für hauptamtlich Mitarbeitende, in denen die Themen Haltung, Rolle, sowie Nähe und Distanz besprochen werden.

  • Angebot von Supervision und Mentoring für hauptamtliche Mitarbeiter*innen.

  • Fachliche Kompetenz durch regelmäßige Fortbildungen auch in fachfremden Bereichen wird gefordert und gefördert.

  • Der Blick auf die Bedürfnisse der Teilnehmenden, Ehren- und Hauptamtlichen und die individuellen Gaben und Grenzen der Mitarbeitenden gehört zu den grundlegenden Aspekten unserer Arbeit.


Risikofaktoren:

  • Mangelnde Transparenz, wie und nach welchen Kriterien ehrenamtlich Mitarbeitende für Teams ausgewählt werden.

  • Wenig Informationen über Wege, Situationen und Räume an den wechselnden Veranstaltungsorten

  • Fehlende Bezugspersonen für Teilnehmende bei Tages-Fortbildungen

  • 1:1 Reise-Settings vor und nach Veranstaltungen

  • Arbeit im Grenzbereich zwischen Nähe und gewünschter Distanz, daher teilweise Vermischung von privaten und dienstlichen Bezügen, von beruflicher Rolle und Persönlichkeit.

  • Humor im „Graubereich“ zwischen Witz, Freude und Lockerheit und der Möglichkeit, andere dadurch zu verletzen und auszuschließen.

  • Ausgeprägte Wertschätzungskultur [Dankeschön-Essen/Geschenke/…] und damit verbunden die potenzielle Erwartung einer „Gegenleistung“.

  • Nicht immer gegebene (wenn auch angestrebte) Parität der Geschlechter in Gremien und Teams.

  • (Noch) unklare und nicht kommunizierte Beschwerdewege (neben der grundsätzlichen Feedbackkultur).

 

3.) Verhaltenskodex:

Auf Basis der unter 2.) erfolgten Risikoanalyse haben wir den folgenden Verhaltenskodex formuliert, der die identifizierten Schutzfaktoren stärken, den Risikofaktoren entgegenwirken und als Handlungsgrundlage für die ehren- und hauptamtlich
Mitarbeitenden in Jugendpfarramt und Jugendvertretung dienen soll:
 

Die evangelische Arbeit mit jungen Menschen lebt von Beziehungen – miteinander und mit Gott. Daher braucht unsere Arbeit Nähe und die Akzeptanz von gewünschter Distanz. Die folgenden Grundsätze gelten daher bei all unseren Angeboten, im analogen wie im digitalen
Raum:

  1. Wir schützen die uns anvertrauten jungen Menschen vor körperlichem und seelischem Schaden, vor Missbrauch und Gewalt.

  2. Wir entdecken, kommunizieren und respektieren persönliche Grenzen aller Beteiligten und gehen verantwortungsbewusst mit Nähe und Distanz um.

  3. Wir bieten jungen Menschen den Raum, ihr Selbstbewusstsein, die Fähigkeit zur Selbstreflexion, ihre Persönlichkeit und damit auch ihre Identität zu stärken.

  4. Wir ermöglichen Selbstbestimmung und Selbstwirksamkeit, Mitbestimmung und Mitsprache und vermitteln die dazu notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten.

  5. Wir legen Wert auf gewaltfreien Umgang und wertschätzende Sprache, um jede*n willkommen zu heißen und mit individuellen Grenzen achtsam umzugehen.

  6. Wir geben Raum für offene Gespräche, Feedback und Kritik und betrachten sie als Chance, unsere Arbeit zu reflektieren und uns weiterzuentwickeln.

  7. Wir sind uns unserer machtvollen Positionen bewusst und gehen sensibel damit um, auch über unsere Tätigkeit und unseren Handlungsbereich hinaus.

  8. Wir berücksichtigen individuelle, kulturelle und geschlechtsspezifische Bedürfnisse und machen uns stark für Inklusion und Vielfalt.

  9. Wir beziehen bei Grenzverletzungen aktiv Stellung, dabei behalten wir die beteiligten Menschen im Blick.

 

(Als PDF hier)